Von netten Nachbarn und furchtbaren Nachbarn

Frau auf BankHeute Mittag in Deutschland. Ich sitze gemütlich bei einem Zigarettchen auf einer Bank des innerstädtischen Platzes und sehe plötzlich ein Pärchen an mir vorbeigehen. Dann die typische Situation: man schaut sich kurz an, guckt noch einmal, schaut länger hin, fixiert, versucht eine Reaktion des Betrachtenden zu erhaschen und … „Aaaaach… DU bist das! Hab‘ Dich fast gar nicht erkannt.“ 😉

Das waren meine Nachbarn aus Vor-Vor-Mieter-Zeiten, 3. OG, von vor ca. 11 Jahren und Frau Ex-Nachbarin sagte noch so „Ja, ich bin jetzt schon grau geworden.“ Den einen erwischt es eben früher, den andern später. Dass wir uns so nett finden, konnten wir aber irgendwie gar nicht richtig auskosten.

Ich erinnere mich …


Wie das Wohnen begann oder das Grauen aus dem 2. OG

Ich war noch mit meinem Umzug in meine damalige Wohnung beschäftigt – ziemlich nah an der Innenstadt. Da lief mir eine ältere Nachbarin über den Weg, 2. OG also künftig über mir wohnend, jenseits der 70 und keifte mich vor dem Haus im Vorbeigehen mitten auf dem Bürgersteig an

„Und das nächste Mal, wenn sie den Müll weggebracht haben, machen Sie gefälligst das Licht im Keller aus!“

Zack! Ohne Gruß, ohne Vorankündigung und erst recht ohne mir die Möglichkeit zu geben, mich erst einmal vorzustellen! Das saß, aber nur kurz.

Sekundenbruchteile hatte es mir die Sprache verschlagen. Und ich dachte so, „Okay, sie mag es laut und öffentlich, bitte schön.“ und brüllte – ich mag keifen ja nicht so sehr, daher mit etwas tieferer Stimme aber mindestens genauso laut. Schließlich soll die Nachbarschaft ja das komplette Gespräch mitbekommen –

„Oooh, danke für diese „nette“ Begrüßung! Macht mir jetzt richtig Spaß hier einzuziehen!“

Damit hatte sie wohl nicht gerechnet, denn sie schaute mindestens genauso verdattert wie ich kurze Zeit vorher. Naja, das Schöne war, sie ließ mich die nächsten drei Jahre in Ruhe und ich sie ebenfalls. Wir mochten uns eben von der ersten Sekunde an nicht, aber bis auf ihren tagsüber bis zum Anschlag aufgedrehten Fernseher, konnte ich unbehelligt von ihr dort weiterhin wohnen.

Wie es sich sonst so wohnte oder der Horror aus dem EG

Zwischendurch hatte ich noch ein paar Probleme mit der unter mir wohnenden Psychopathin. Normalerweise verwende ich nicht leichtfertig derartige Bezeichnungen, aber sie war es wirklich. Alleinlebend, Frührentnerin, erlag sie nachts des öfteren ihren Alkoholexzessen. Während ich mit diesem Promillegehalt wahrscheinlich komatös in der Ecke liegen würde, drehte diese aber erst richtig auf. Sie tobte sich dann in der Weise aus, indem sie ihre Türen nachts mehrfach dermaßen zuknallte, dass ungelogen die Wände förmlich vibrierten und ich mit Herzrasen regelmäßig aus meinen süßen Träumen hochschreckte.

Jedes Mal wenn ich beschloss „Die knöpfe ich mir jetzt vor, die kann was erleben!“, sah man sie wochenlang nicht im Treppenhaus. Meist war dann auch lange Zeit Ruhe und ich dachte, bloß kein Öl ins Feuer gießen, ich sage erst mal nix.
An ihrer feuchtmuffigen Wäsche, die im Waschkeller hing und die merkwürdigerweise nicht nach Lenor oder Kuschelweich, sondern immer nach Käse roch, merkte ich, dass sie noch nicht endgültig dahinsiechte. Also ließ ich sie in Ruhe, auch als ich ihr dann irgendwann mal wieder begegnete und wir einander nett grüßten.

Dann urplötzlich ging es wieder los und ich sah schon einem Herztod entgegen. Nun platzte mir aber der Kragen. War zwar lästig, musste aber sein. Also eben die Kontaktlinsen in die Augen und Bademantel über die Schultern geworfen und unten gegen die Tür gehämmert. Sie machte sogar auf! Als sie mich mit ihren glasigen Augen anstierte, bat ich sie im zuckersüßen Ton, doch endlich mal die Türklinken zu verwenden, anstatt ständig die Türen zuzuhämmern.

Und wieder ab ins Bett. Ähm ja … boom! Man, das Gespräch hat ja echt was gebracht toll! Am nächsten Morgen, als meine Nachbarin sich wohl noch im Koma und ich mich auf dem Weg zur Arbeit befand, ließ ich es mir nicht nehmen und … hach … tat das gut … trat erst einmal mit voller Wut und Wucht gegen ihre Wohnungstür.

Es beruhigt, Leidensgenossen aus dem 3. OG zu haben

Nach monatelangem Terror und Pausensequenzen kam ich ins Gespräch mit den Nachbarn aus dem 3. OG. Wir hatten uns immer nett gegrüßt, mal Small Talk gehalten aber das war es auch schon so ziemlich. Bis dann mal das Thema auf unsere erdgeschössige Mitbewohnerin kam. Auch sie bekamen wohl die Knallerei mit – ihr merkt: ich wohnte im 1. OG, die Psychopathin im EG und die Nachbarn im 3. OG bekamen den nächtlichen Lärm auch noch mit. Bezeichnend was die Lautstärke betrifft, oder?

Die aus dem 2. OG war ja schwerhörig, die kann man also nicht mitzählen.

Naja, um auch mal zum Ende zu kommen. Mittlerweile hatte ich die Wohnungsgesellschaft ausführlich und schriftlich über ihre kranke Mieterin informiert, schließlich muss der Frau ja geholfen werden. Und über diese Beschwerdesache haben wir Nachbarn – also 1. OG und 3. OG – uns näher kennengelernt und so manches Stündchen gemütlich zusammengesessen. Das ist ja eigentlich schön, allerdings hatte ich mittlerweile meine jetzige bessere Hälfte kennengelernt und plante bereits wieder nach drei Jahren meinen Auszug aus diesem „ehrenwerten Haus“. 😉

Schade eigentlich, dass man sich erst nach längerer Zeit näher miteinander befasst hat.

Ich zog in einen Nachbarort und wir pflegten noch ein paar Telefonate. Ich wurde nämlich immer schön über den Sachstand des Mietverhältnisses im EG auf dem Laufenden gehalten. Es war wohl wirklich Ruhe eingekehrt. Na dann hat meine Beschwerde wenigstens ihnen etwas gebracht. 🙂


Heute traf ich die beiden also wieder und wir haben uns sehr gefreut und natürlich erst einmal geplauscht. Schon komisch, dass ich – übrigens bereits das 2. Mal – nette Nachbarn erst kurz vor meinem Auszug richtig kennen und schätzen gelernt habe.

Achja, die Beiden erzählten noch abschließend, dass die Mieterin aus dem EG jetzt im Altersheim untergebracht ist und wohl zuletzt ziemlich abgedriftet bzw. fernab jeglicher Realität war. Das Wohnen ist nun erträglich in dem Haus.

Das freut mich total. Macht’s gut ihr Zwei! 🙂

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3 Antworten

  1. Sanne sagt:

    Ein Horror….

  2. Nine sagt:

    Ein Horror, den ich mir nur allzu gut vorstellen kann. :-/ Befinde ich mich derzeit doch auch in einer auswegslosen Situation, die es unumgänglich macht, mir eine neue Wohnung zu suchen.
    Manche lernen es eben nie!
    LG Nine

    • Sylvi sagt:

      Hallo Nine,

      auch wenn es schwerfällt oder mit einem riesigen Umstand bzw. mit einer Menge Kosten verbunden ist, manchmal ist es wirklich gesünder, der Klügere zu sein und nachzugeben.
      Ich wünsche Dir viel Kraft und Nerven für die verbleibende Zeit in Deiner jetzigen Wohnung. Außerdem drücke ich Dir ganz feste die Daumen, dass Du ganz schnell etwas Schöneres findest.

      Lieben Gruß
      Sylvi