Tauben – Friedenssymbol oder Ratten der Lüfte?

TaubeAlso ich mag ja Tauben. Jetzt nicht so, wie ihr vielleicht denkt: mariniert und gegrillt oder frittiert. Nein ich mag sie so, wie sie sind und möglichst lebendig. Auch wenn einige Zeitgenossen sie als Ratten der Lüfte beschimpfen. Klar, wo sie in Rudeln hocken, kann die Hausfassade schon mal ganz schön leiden, aber im Zweifelsfalle gibt es Mittel und Wege, so etwas zu unterbinden (Drahtgitter u. ä.). 

Die Tiere sind unschuldig

Durch den beengten Lebensraum besteht durchaus die Gefahr, dass Parasiten in den Brutplätzen entstehen, die wiederum in benachbarte Wohnungen wandern können. Das Problem ist aber ein von Menschenhand verursachtes, letztendlich durch gedankenloses Füttern und die damit verbundene Vermehrung.

Trotz dieses negativ behafteten Klischees strahlen Tauben in meinen Augen Ruhe aus, wirken freundlich und haben einen lustigen Gang. Außerdem gehören sie irgendwie ins Stadtbild, obwohl ich oft verschreckt den Kopf einziehe, wenn wieder ein Tiefflieger genau über mir zum Landeanflug ansetzt.

Auch ich hatte vor geraumer Zeit noch ein zwiespältiges Verhältnis zu ihnen. Meine Meinung hat dann eine beeindruckende Dokumentation im Fernsehen über eine Taubenretterin erheblich erschüttert. Dabei handelte es sich um eine Dame, die ihr ganzes Herzblut einbrachte, um verletzten Tauben in den Städten zu helfen und medizinisch zu versorgen.


Geschichten erzählenEine kleine Geschichte

Vor wenigen Jahren hatten Kollegen eine Baby-Taube mitten in der Fußgängerzone gefunden. Sie saß verloren an einer Hausfassade und konnte nirgends zugeordnet werden. Also saß kurz drauf dieses Taubenkind in einem Pappkarton stark müffelnd mitten auf dem Schreibtisch meiner ehemaligen (tierlieben) Chefin und wir Kollegen beratschlagten nun, was mit ihm geschehen soll.

Die einen schlugen vor, es an einen nahegelegenen See zu bringen. Die Idee fand ich ganz „toll“! Es war November und das Gefieder total verklebt! Andere wollten es zum Tierheim bringen. Das hatte aber bereits geschlossen und Babytaube hätte draußen in einem Verhau übernachten müssen. Fand ich also auch ganz „toll“!

Kurzerhand aufgenommen

Also kurz mit meinem Lebensgefährten beratschlagt und beschlossen, ich nehme den Winzling mit nach Hause. Ich hatte zwar überhaupt keine Ahnung von Tauben, aber bei mir war er zumindest erst einmal sicher. Zwischendurch habe ich noch angehalten und im Tierladen mit einer Verkäuferin zusammen überlegt, was so eine Jungtaube zu fressen bekommen sollte. Da war man sich nicht so sicher und ich weiß es nicht mehr ganz genau, aber ich glaube, letztendlich habe ich irgendein Vogelfutter mitgenommen.

Zuhause angekommen wurde dann ein alter Meerschweinchenkäfig herausgekramt, ganz dick mit Sägespänen ausgepolstert, Wassertöpfchen rein, fertig!

Es sollte ihm gut gehen

Puuuh … Harry – so hatten wir ihn zwischenzeitlich getauft – stank aber so entsetzlich, dass er vorerst auf den Balkon kam in eine windgeschützte Ecke – so ca. 5 Minuten … dann fiel mir wieder ein, dass ja November ist und das Gefieder total verklebt, also was machen?

Harry

 

Klar, Baden! Was sonst! Gummihandschuhe geholt, Plastikschüssel mit lauwarmem Wasser befüllt und Harry vorsichtig gebadet. Mönsch, die dicken Klumpen an den Füßen waren gar keine Geschwüre – das war Dreck! An den Kopf habe ich mich nicht so herangewagt, aber er sah dann nach einer Weile recht manierlich aus … und das Wasser wie Jauche.

Ganz vorsichtig habe ich ihn dann noch trockengetupft und ein bisschen gefönt – aber wirklich auf ganz leichter Stufe und auch nur lauwarm.

Dann wurde er wieder in sein Notheim gesetzt. Da stand er dann – der Käfig: auf der Waschmaschine unter Rotlicht und Harry durfte erst einmal trocknen. Er stank auch gar nicht mehr.

 

 

Leider nicht auf Tauben eingestellt

Ich hatte den Eindruck, Harry fand das richtig toll. Er war total vorwitzig, kam an die Gitterstangen und schaute einen keck an. Nach der Trockenprozedur durfte er dann auch ins Wohnzimmer, hat ein wenig an einem Salatblatt geknabbert und auf einmal sah man sogar, dass er so was wie Federflaum besaß.

Er hatte mich durch seine Art bezirzt und ich überlegte bereits, ob ich mich an einen Taubenexperten zwecks Aufzucht wenden sollte. Allerdings wohnten wir damals noch zur Miete im 1. Obergeschoss. Und ich nehme an, unsere Vermieter hätten sich bedankt, wenn irgendwann von unserem Balkon der Taubenmist auf deren Terrasse gelandet wäre.

Er sollte bei Fachleuten unterkommen

Also gefahndet: ah, da gibt es eine Vogelauffangstation namens „Fell & Feder“. Prima! Die wurde angerufen und am anderen Ende erklärte man sich sofort einverstanden, Harry zu übernehmen und über den Berg zu bringen.

Dort angekommen haben wir die Auffundsituation und was wir mit Harry bereits angestellt haben beschrieben. Das Baden fand der Vogelvater wohl etwas ungewöhnlich erklärte aber, dass Taubenkinder schon mal vom Dachbalken fallen und die anderen dann einfach draufkac…. na ihr wisst schon.
Gut, also ich fand spätestens zu diesem Zeitpunkt meine Badeaktion vollkommen in Ordnung.

Das Ende vom Lied war, ich musste mich vernunftsweise aber schweren Herzens von Harry trennen und hoffte, er schafft es und wird mal ein wunderhübsche Taube.


fliegende Tauben

 

Wenn ich Tauben sehe, dann fällt mir immer noch Harry ein. Vielleicht wurde er ja von einer Gruppe aufgenommen, wer weiß?
Ich denke, das ist ebenfalls mit ein Grund, warum ich Tauben lieb gewonnen habe und oft ein wenig lächeln muss, wenn sie brotkrumenpickend durch die Fußgängerzone staksen.

 

 

Nachtrag:

Nachdem ich diesen Beitrag geschrieben aber noch nicht veröffentlicht hatte, twitterte Horst diesen Beitrag:

Bild - Taube totgetrampelt - Link zum Beitrag

Sowas macht mich unendlich traurig …


Edit 01.09.2011

Der hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit heutigem Urteil entschieden, dass verwilderte Tauben, die in großen Schwärmen auftreten, als Schädlinge einzustufen sind. Daher wird nun zugelassen, dass diese in Grenzen getötet werden können. Die Entscheidung darüber liegt letztendlich beim Veterinäramt.

Geklagt hatte ein Falkner, der die Tauben per Lockfalle einfangen, dann töten und letztendlich an seine Greifvögel verfüttern möchte.

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10 Antworten

  1. Erdbeere sagt:

    Eigentlich sind Tauben ja nicht so mein Ding, aber Dein Harry, den mag ich. Vor allem hat mir gefallen, wie süß Du Dich um ihn gekümmert hast. Sehr edel!

    Lieben großes-Lob-Gruß
    Erdbeere

    • Sylvi sagt:

      Huhu Erdbeere,

      in solchen Situationen handele ich aus dem Bauch heraus. Ich hätte es mir wohl nicht verziehen, wenn ich gewusst hätte, dass Klein-Harry irgendwo in der Kälte womöglich eingegangen wäre und ich das hätte verhindern können. Also gar nicht so edelmütig, ich kann einfach nicht anders 😉

      Ganz-dollen-Dank-für-den-lieben-Kommentar-Gruß
      Sylvi

  2. Pauli sagt:

    Hey Sylvi,
    ich habe mir eigentlich noch nie so Gedanken über Tauben gemacht. Liegt wohl daran, dass ich am Dorf wohne und es hier einfach keine gibt. Ich finde es auch toll, was Du mit Harry angestellt hast – da erkennt man halt den echten Tierfreund!
    Wenn also mal eine Taube im Sturzflug auf Dich runterschießt, nicht zucken, es könnte Harry sein, der sich freut, Dich wiederzusehen. 😉
    Liebe Grüße und schönes Wochenende,
    Pauli

    • Sylvi sagt:

      Lach Pauli,

      hier bei uns fühlen sich viele Leute durch sie belästigt. Dabei tun sie niemandem etwas. Der Widerspruch ist, dass ihnen trotzdem immer wieder Brot o. ä. hingeworfen wird (was eigentlich sogar verboten ist).

      Ich hoffe, er lässt aber dann vor Freude nichts fallen 😀

      Dir auch ein wunderschönes Wochenende.
      Sylvi

  3. Blücher sagt:

    Hi Sylvi,

    was mich immer ein wenig wundert ist, dass die Leute auf der einen Seite Tauben verfluchen, auf der anderen aber in ihnen ein Symbol des Friedens sehen. Auch auf Hochzeiten werden die Tiere gerne als Zeichen der Liebe aus ihren Verschlägen gelassen. Daran erkennt man, wer eigentlich „die Ratte“ ist. Der Mensch hält sich für die Krönung der Schöpfung… dabei ist er nur ein „Missing Link“. Eine Laune der Natur… mehr nicht. Die Welt wäre ohne unsere Spezies besser dran.
    Deine Story ist wirklich toll geschrieben. Es ist schön, dass es Leute wie dich gibt, die dem Leben einen Sinn geben. Da sollten sich einige ein Beispiel dran nehmen.
    So… genug philosophiert.

    Liebe Grüße

    Blücher

    • Sylvi sagt:

      Hallo Blücher,

      da gebe ich dir recht, wir Menschen sind schon manchmal sehr schizophren. Einerseits werden sie in den Himmel gehoben und woanders wieder mit den Füßen getreten.

      Ein bisschen verlegen hast Du mich aber jetzt schon gemacht…. 🙂 Eigentlich wollte ich auch nur beschreiben, dass gar nicht so viel dazu gehört, ein Lebewesen aus einer kritschen Situation zu befreien. Letztendlich habe ich die Aufzucht von Harry dann ja doch lieber den Fachleuten überlassen 🙂

      Lieben Gruß
      Sylvi

  4. Zimtmaus sagt:

    Dein Beitrag über Tauben hat mir wirklich gefallen. Das Baden von Harry finde ich absolut gerechtfertigt. Er wird sicherlich durch die Dreckklumpen an Federn udn Füßen behindert worden sein. Außerdem sind Tauben keine dreckigen Tiere – sie fühlen sich auch nicht wohl, wenn sie so erbärmlich stinken, wie du es beschrieben hast 😉 Außerdem ist es essentiell, dass die Kloakenregion von Dreck befreit wird, damit keine Entzündungen entstehen können und damit normal Kot abgesetzt werden kann.

    Bei mir hat meine Taubenliebe übrigens genauso angefangen – habe auch ein Taubenkind gefunden und es groß gezogen. Seit dem liebe ich diese Vögel – ihre Unschuld und ihr liebreizendes Wesen.

    Es macht mir wirklich traurig und auch wütend, dass es Menscehn gibt, die einfach sinnloserweise Tiere töten bzw. ihnen Schaden zufügen. Und dass es nun laut Gerichtsbeschluß auch noch legal ist Tauebn zu töten finde ich unglaublich :O

    Naja danke dir für diesen schönen Beitrag! 🙂

    • Sylvi sagt:

      Hallo Zimtmaus,

      das freut mich total, dass Du Tauben gegenüber genauso eingestellt bist wie ich. Schade finde ich auch, wenn schon Kindern von ihren Eltern eingetrichtert bekommen, dass Tauben dreckig seien. Diese Einstellung kann man dann auch sehr schwer wieder revidieren.
      Du hast so recht. Ich finde sie auch total unbedarft, sie tun niemanden etwas und sind in meinen Augen sehr hübsch.

      Lieben Dank für Dein nettes Feedback.

      Gruß Sylvi

  5. ingo sagt:

    Hallo Sylvi,

    wow, sehr gut geschrieben und gut gehandelt! Schön, dass es Menschen wie Dich gibt, echte Tierfreunde.
    Harry, Dein persönliches Friedenssymbol.

    Gruß Ingo

    • Sylvi sagt:

      Hallo Ingo,

      Harry, Dein persönliches Friedenssymbol

      So habe ich das noch gar nicht gesehen, aber der Gedanke gefällt mir. 🙂

      Lieben Gruß
      Sylvi