Dialekt – Zumutung oder Sprachkultur?

DialekteAls Kind eines Vaters aus Oberschlesien und einer Mutter aus Ostpreußen war ich eine Zeit lang absolut davon überzeugt, dass ich lupenreines Hochdeutsch spreche. Zumal meine Mama besonderen Wert darauf legte, mit meinem Bruder und mir dialektfrei zu kommunizieren. Sie hasste eben den “Slang” ihrer Herkunft, dazu gehörte zum Beispiel das rollende “R”.

Ulkig fand ich es als Kind immer, wenn wir zu Besuch bei meiner Oma väterlicherseits waren. Dann schwenkten Papa und Oma in Sekundenbruchteilen zur schlesischen Mundart um. War meine Großtante mit ihrer leicht schräbbeligen Stimme auch noch anwesend, wurde es richtig lustig.

Es war jetzt nicht so schlimm, dass ich nichts verstanden hätte und als Kind ist man ja noch anpassungsfähig.

Letzte Relikte

“Da kumt a schwazze Wulke, wenn ih wu wär, ging ih hejm.” Der Satz hat sich echt eingeprägt, weil –  absolut lebensnotwendig. 😉

Wieder zu Hause angekommen kam schon mal die Bemerkung von Mama an meinen Papa gerichtet. “Wenn DU bei Deiner Mutter warst …! “ und machte ihrem Unmut Luft, dass es wieder eine Weile brauchte, bis er annähernd hochdeutsch sprach.

Einen Satz auf Ostpreußisch habe ich mir auch gemerkt (also in Lautschrift) “Uja muja sucha kuchani.” Dabei soll es sich um eine ziemlich schlimme Schimpfkanonade handeln. Wer weiß, vielleicht wollte mich Omi mütterlicherseits ja auch nur veräppeln.

Mal lustig, mal lästig

Naja, ein Hauch von sauerländischer Mundart und die Nähe zum Ruhrgebiet lässt sich wohl nicht verleugnen, aber lange Zeit wollte ich das einfach nicht wahrhaben.

In meinen Urlauben lernte ich immer wieder Menschen kennen, woraus sich kurzfristige Bekanntschaften bildeten. Mir gefiel immer der Düsseldorfer Singsang und ich fand es witzig, dass die Rheinländer am Ende eines Satzes die Stimme anhoben, statt abzusenken. Ich glaube, einen Punkt am Satzende gibt es bei ihnen nicht. 🙂

Ganz furchtbar fand ich früher immer bayerisch. Selbst am heißesten Strand von Lido di Savio bildete sich an meinem Körper umgehend eine Gänsehaut, wenn zudem noch lautstark im süddeutschen Dialekt lamentiert wurde. Ganz gemein fand ich es, wenn man auch noch kein Wort von dem verstand.
Nach dem Mauerfall gesellte sich dann noch sächsisch zu meinen Anti-Dialekten.

Norddeutschen Dialekt, ob es sich um den hamburger, bremer oder ostfriesischen handelt – egal – , mochte ich immer sehr gern. Vielleicht hat er mich in der Kindheit geprägt, weil wir dort hin und wieder unsere Urlaube verbracht haben.

Die bittere Erkenntnis

Auf den Boden der Tatsachen holte mich aber ein Berliner Pärchen. Jenseits der Heimat, am mallorquinischen Strand Es Trenc schlendernd, kamen wir ins Gespräch. Mein damaliger Freund und ich hatten mitbekommen, dass sie im selben Bus auf dem Weg zum Strand saßen. Nun waren wir uns nicht sicher, wann der Letzte wieder zurück nach Cala D’Or fuhr.
Während des Gesprächs fragte mich auf einmal der Berliner (natürlich auch im typischen Dialekt 😉 :”Sach ma, kommst Du aus Letmathe?”

Ihr könnt euch nicht meinen Blick vorstellen. Wie kommt ein Berliner darauf, dass ich aus einer sauerländer Kleinstadt und dann noch aus genau der Richtigen stamme?! Die kennt doch sonst niemand.

Ich stimmte zu – wenn auch mit einem riesige Fragezeichen in den Augen, aber anscheinend konnte ich meine Herkunft nicht verleugnen.

“Du sprichst genauso wie Peter Müller*

Es stellte sich heraus, dass er in seinem Urlaub vor Jahren – ebenfalls auf Mallorca – diesen Peter aus Letmathe kennengelernt und zu ihm noch Kontakt hatte. Bei diesem jobbte auch noch zufällig mein damaliger Freund während seiner Studienzeit und dessen Frau besuchte wiederum in der Grundschule die selbe Klasse wie ich.
Kaum zu glauben oder?!

Aufgrund dieses Vorfalles musste ich tatsächlich meine feste Überzeugung über Bord werfen, ich würde astreines Hochdeutsch sprechen und könnte meine Herkunft verschleiern. 😉

Und heute … ?

Im Laufe der letzten Jahre hat sich meine Aversion hinsichtlich des bayerischen und sächsischen Dialektes ziemlich gelegt. Mittlerweile habe ich superliebe Freunde aus beiden Landesteilen. Und bei netten Menschen finde selbst ich diese Dialekte gar nicht mehr so unerträglich. 🙂 Ich würde sogar fast behaupten, dass ich sie noch nicht einmal mehr bewusst wahrnehme.
Naja, vielleicht nur hin und wieder und mittlerweile finde ich es sogar richtig witzig, wie viele unterschiedliche Ausdrücke für eine Sache existieren können.
Och, nehmen wir doch als Beispiel den Begriff “Brötchen”, naaaaa? 😉

Und ganz ehrlich – ich vermisse meine Oma schon sehr und auch die Gespräche zwischen ihr und meinem Papa auf ihre etwas eigenwillige Art.

*Name geändert

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10 Antworten

  1. Broken Spirits sagt:

    Und bei meinem Dialekt werde ich immer gefragt, ob meine Mutter während meiner Geburt auf Deutschlandreise war 😛

    Bei mir hat sich soviel vermischt, daß es nur ganz wenige Leute raushören, wo ich herkomme.

    • Sylvi sagt:

      Und war sie? :mrgreen:

      Wie kommt es, dass Du so „multilingual“ bist? Liegt es an Deinem Bekannten-/Freundeskreis?

      Bei meiner besseren Hälfte ist es ähnlich, der beherrscht sämtliche Dialekte. Einmal weil er diesbezüglich sehr talentiert ist (ich kriege das nicht einmal ansatzweise hin), andererseits liegt es vielleicht auch daran, dass sein Papa bei der Bundeswehr war und samt Familie zig mal innerhalb von Deutschland umziehen musste.

      Gruß Sylvi

      • Broken Spirits sagt:

        Liegt wohl in erster Linie am Bekannten und Freundeskreis. Und vielleicht daran, daß die eine Hälfte der Familie aus der einen Hälfte von D kommt, während die andere Hälfte aus der anderen Hälfte von D kommt. Soweit klar? 😉

        Gerade der letzte Punkt ist nicht einfach für einen kleinen Stepke, wenn man sich zwischen Bouletten und Frikadellen entscheiden muß. Früher, ja da war nix klar. Heute esse ich doch lieber Bouletten, denn die waren letztlich die besseren Frikadellen. Andersrum: schlechte Bouletten sind dann eben doch nur Frikadellen. Oder so ähnlich. 😉

        Achja: den Unterschied zwischen einer Stulle und einer Bemme mußte ich auch lernen…. ich bin zweisprachig aufgewachsen.

        • Sylvi sagt:

          Hej Broken,

          ah, das erklärt es ja.

          Ich lege beim Thema Boulette/Frikadelle mal Veto ein. Ich kenne da jemanden, der hervorragende Frikadellen kredenzt. Die Familie ist ganz wild drauf und dafür wird so manches Schnitzel stehen gelassen. 😉

          Stulle ist hier auch recht gängig aber man nennt sie hier auch Knifte. 🙂

          Gruß Sylvi

  2. Pauli sagt:

    Hey Sylvi,

    toller Blogbeitrag! 😀
    Ich freue mich schon, wenn ich mal wieder mit Dir zum Semmeln holen gehen kann!! 😀

    Liebe Grüße aus… 😉
    Pauli

    • Sylvi sagt:

      Hej Pauli,

      hui danke schön. 😀

      Jaaaa … freue ich mich auch schon drauf. Bestellen musst aber Du, sonst bekommen wir hinter wer weiß was – nur keine Brötchen/Semmeln. 😉
      Gehen ist prima … wenn auch zum Bäcker etwas weit. Aber besser noch als auf dem Höllenofen dorthin zu fahren. :mrgreen:

      Lieben Gruß
      Sylvi

  3. hansen sagt:

    Hallo Sylvi,

    Dialekt gehört ganz klar zur Sprachkultur und ist ein wesentlicher Punkt der regionalen Kultur.
    Man sollte aber dennoch „Zweisprachig“ aufwachsen, sonst kann man schon mal Probleme bekommen.
    Man muss schon wissen, dass man die bereits erwähnten Semmeln, die Fleischpflanzl und die Krapfen nur in Bayern bekommt. 😆

    Liebe Grüße
    hansen

    • Sylvi sagt:

      Hallo hansen,

      ich habe zwar ein Weilchen für diese Einsicht gebraucht, aber heutzutage sehe ich es genauso wie Du.
      Mittlerweile finde ich es richtig interessant und oftmals auch witzig, wie unterschiedlich sich Menschen ausdrücken. Sogar in den Social Media-Kanälen wird oftmals der Dialekt in Schriftform wiedergegeben.

      Und in Berlin sollte man besser Schrippen bestellen. :mrgreen:

      Lieben Gruß
      Sylvi

  4. Blücher sagt:

    Hi Sylvi,

    ich liebe Dialekte. Allerdings gibt es auch tatsächlich welche, die ich schlecht verstehe. Wir hatten damals beim Bund einen Kameraden aus Bamberg. Wenn der Knabe in seine Mundart verfiel, verstand ich nur noch „Bahnhof“.
    Ganz schrecklich finde ich aber was sich derzeit in den Medien bezüglich des so genannten „Kiezdeutsch“ tut. Da wird schlechtes Deutsch zu einer echten kulturellen Bereicherung stilisiert. „Ich geh Bus“ wird als kreative Aussage betrachtet. Meiner Meinung nach hat die in vorderster Front stehende und für diese Ausdrucksweise kämpfende Frau Prof. Heike Wiese nicht mehr alle Latten am Zaun.
    Wie gesagt, ich liebe Dialekte… aber Dummdeutsch als Dialekt zu verkaufen ist reine Volksverdummung.

    In diesem Sinne noch eine schöne Woche.

    LG
    Blücher

    • Sylvi sagt:

      Hej Blücher,

      Bamberger bzw. fränkischen Dialekt habe ich momentan nicht so auf dem Schirm. Ich habe mal einen Urlaub in Ostfriesland verbracht und als die Einheimischen nach dem Heumachen noch gemütlich bei einem Schnäpschen zusammensaßen und schnackten, habe ich ebenfalls kein einziges Wort verstanden. Das war Hardcore-Dialekt. 😀

      Dieses sogenannte „Kiezdeutsch“ finde ich total grausam aber ich glaube nicht, dass es sich durchsetzen wird, auch wenn Frau Wiese das vielleicht meint. Ich gebe zumindest die Hoffnung nicht auf, dass auch in Zukunft die meisten Menschen in Deutschland Wert auf ein hohes Sprachniveau legen.
      Allerdings muss ich mittlerweile feststellen, dass es oftmals schon an den grundlegenden Regeln hapert. Da wird gerne „wie“ angewandt, wenn ein „als“ gefordert ist. Ich krieg jedes Mal einen Fön, wenn ich höre oder lese, „Der Berg ist höher wie …“.
      Oder „… ich fahre nach Karstadt“! Womit das Kaufhaus und nicht eine Stadt gemeint ist. 😉

      Gruß Sylvi